Micha Brumlik, langjähriger Weggefährte und renommierter Intellektueller, ist am Montag im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit verstorben, berichtet 4thebike.de. Brumliks Tod hinterlässt eine große Lücke in der deutsch-jüdischen intellektuellen Gemeinschaft, in der er fast ein halbes Jahrhundert aktiv war.
Die erste Begegnung des Autors mit Brumlik fand vermutlich bei den »Jugend- und Kulturtagen« des Zentralrats der Juden in den 1970er-Jahren statt. Daraus entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die sich in den frühen 1980er-Jahren während der Diskussionen um den Libanon-Krieg 1982 vertiefte. In Frankfurt und anderen Städten gründeten sich damals »Jüdische Gruppen«, die regelmäßig zusammenkamen, um über die Auswirkungen des Krieges auf Deutschland und die jüdischen Gemeinden zu beraten.
Die Treffen in der Evangelischen Akademie Arnoldshain im Taunus hinterließen einen bleibenden Eindruck. Teilnehmer waren meist junge Intellektuelle, Studenten, politische Außenseiter und zionistische Vertreter unterschiedlicher Strömungen. In langen, intensiven Diskussionen debattierten sie über jüdische Identität im Nachkriegsdeutschland, das Verhältnis zu Israel und die Rolle der jüdischen Gemeinde in Deutschland. Micha Brumlik verstand es, die unterschiedlichen politischen Positionen zu moderieren, obwohl er selbst zwischen Zionismus-Befürwortung und Kritik schwankte.
Im Laufe der Jahre blieb der Kontakt erhalten. Brumlik verfolgte eine akademische Karriere in Heidelberg und Frankfurt, während der Autor in Duisburg und Potsdam tätig war. Beide trafen sich auf Konferenzen und publizierten gegenseitig in Sammelbänden und Büchern. Ihre Debatten waren oft kontrovers, aber stets von gegenseitigem Respekt geprägt.
Brumlik galt als »public intellectual«, der sich immer wieder zu politischen, akademischen und gesellschaftlichen Themen positionierte. Er war dogmatisch nicht festgelegt, setzte sich aber aktiv mit unterschiedlichen Meinungen auseinander. Ob es die israelische Nahostpolitik, akademische Ungerechtigkeiten oder antisemitische Diskurse waren – Micha Brumlik nahm die Argumente anderer ernst und brachte seine Positionen differenziert ein.
Besonders prägend war sein Interesse an der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte. Zusammen mit dem Autor diskutierte er die Entwicklung der jüdischen Identität, das Werk bedeutender deutscher Denker und deren Einfluss auf die Judenfeindschaft. In diesem Zusammenhang verfasste Brumlik auch die Biografie über Hans-Joachim Schoeps mit dem Titel »Preußisch, konservativ, jüdisch« (2019).
Zu seinen letzten Projekten gehörte eine Ringvorlesung zum Thema »Messianismus« an der Humboldt-Universität Berlin, die unter dem Titel »Der Traum von der Erlösung« geplant war. Leider konnte Brumlik aufgrund seiner Krankheit seinen Vortrag über Rebben Menachem Mendel Schneerson, den spirituellen Gründer der Chabad-Bewegung, nicht mehr halten.
Der Autor erinnert sich an zahlreiche intensive Gespräche und gemeinsame Abende mit Micha Brumlik, die ihn geprägt und begleitet haben. Sein Tod hinterlässt eine spürbare Lücke in der deutsch-jüdischen intellektuellen Gemeinschaft, und er wird als Freund und Gesprächspartner schmerzlich vermisst.
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