Startseite NachrichtenHendrik Streeck: Teure Therapien für ältere Patienten – Kosten sparen oder ethische Grenzen überschreiten?

Hendrik Streeck: Teure Therapien für ältere Patienten – Kosten sparen oder ethische Grenzen überschreiten?

Hendrik Streeck fordert, älteren Menschen teure Therapien zu verweigern, um Kosten zu sparen – ethisch und rechtlich höchst umstritten in Deutschland.

von Mike Schwarz
Hendrik Streeck fordert, älteren Menschen teure Therapien zu verweigern, um Kosten zu sparen – ethisch und rechtlich höchst umstritten in Deutschland.

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck, hat in einem Interview vorgeschlagen, älteren Menschen nicht mehr alle medizinischen Möglichkeiten zu gewähren, die ihr Leben retten könnten, um Kosten zu sparen, berichten 4thebike.de mit Verweis auf Focus. Streeck, selbst Mediziner und seit März Bundestagsabgeordneter, argumentiert, dass besonders teure Therapien bei Hundertjährigen, etwa bei schweren Krebserkrankungen, seiner Meinung nach in keinem Verhältnis mehr stünden. Seiner Ansicht nach müsse man sich fragen, ob man „wirklich diese teuren Medikamente“ anwenden müsse.

Als Beispiel führte Streeck die Behandlung seines Vaters an, der an Lungenkrebs erkrankt war: „In den letzten Wochen seines Lebens wurde so viel Geld ausgegeben, und es hat nichts gebracht. Es wurden die neuesten Therapien eingesetzt, aber es brachte keinen Erfolg. Er hat mehr Geld im Gesundheitswesen ausgegeben als je zuvor in seinem ganzen Leben.“

Die Diskussion um Streecks Vorschlag hat zwei Ebenen: eine ethische und eine finanzielle. Die Kosten für das deutsche Gesundheitssystem steigen seit Jahren erheblich. 2024 lagen die Ausgaben der Krankenkassen bei rund 346,6 Milliarden Euro, wobei stationäre Behandlungen mit 102,2 Milliarden Euro den größten Anteil ausmachen, gefolgt von Medikamenten mit 55,2 Milliarden Euro und ambulanten Behandlungen mit 50,3 Milliarden Euro. Hauptgründe sind die Alterung der Gesellschaft, der Fortschritt im Gesundheitssystem, der immer teurere Therapien ermöglicht, und die hohe Ineffizienz durch unzureichende Digitalisierung, wobei McKinsey Einsparpotenziale von über 40 Milliarden Euro pro Jahr sieht.

Die Ausgaben steigen mit dem Alter der Patienten stark an. Kinder unter 15 Jahren verursachen durchschnittlich 2.450 Euro pro Jahr, Erwachsene im Alter von 15 bis 65 Jahren 3.790 Euro, während Senioren zwischen 65 und 85 Jahren 11.480 Euro und über 85-Jährige 28.860 Euro kosten. Personen über 100 Jahre sind mit 17.901 Betroffenen nur eine kleine Gruppe, deren hypothetische Einsparungen durch Streecks Vorschlag bei lediglich 15,5 Millionen Euro jährlich lägen, was 0,004 Prozent der Gesamtkosten entspricht. Um substanzielle Einsparungen zu erzielen, müssten Behandlungen für alle Senioren über 65 eingestellt werden, was theoretisch 90 Milliarden Euro pro Jahr einbringen könnte – etwa 26 Prozent der Gesamtkosten.

Die ethische Dimension seines Vorschlags ist jedoch entscheidend. Streecks Idee bedeutet faktisch, dass Menschen mit bestimmten Erkrankungen und einem bestimmten Alter sterben gelassen werden sollen – allerdings nur diejenigen, die sich die teuren Therapien nicht selbst leisten können. Reiche Privatversicherte wären davon nicht betroffen. Dies würde eine gezielte Benachteiligung älterer und ärmerer Menschen darstellen.

Zudem widerspricht ein solcher Ansatz der Berufsethik der Ärzte und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Altersdiskriminierung verbietet. Ärztinnen und Ärzte sind nach der Berufsordnung der Bundesärztekammer verpflichtet, Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, unabhängig vom Alter des Patienten. Eine Altersbegrenzung für Therapien wäre daher nicht nur ethisch problematisch, sondern auch rechtlich angreifbar.

Damit ist klar, dass Streecks Vorschlag kaum Chancen hat, umgesetzt zu werden. Selbst eine Anpassung des Leistungskatalogs der Krankenkassen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht führen, da eine solche Regelung gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen würde.

Zuvor schrieben wir über Christian Lindner wird stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Autoland AG.

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